Das Thema Vertrauen  ist mit Sicherheit eines der bedeutendsten in der Zusammenarbeit mit anderen Menschen. Sie kennen wahrscheinlich den Satz: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Denn es ist gar nicht so einfach, Vertrauen zu leben. Gerade dann, wenn´s besonders schwierig und unübersichtlich wird, möchten wir doch gerne die Kontrolle behalten. Obwohl es gerade in solchen Situationen besser wäre Vertrauen in das Leben und die Unterstützung anderer Menschen zu haben. Ein echtes Dilemma sozusagen.

Mit selbst läuft das Thema bei meiner Arbeit auch ständig über den Weg. Ich erinnere mich beispielsweise an einem Kongress wo mir eine Projektleiterin erzählte,  in ihrem Unternehmen sei die Parole ausgegeben worden, die Projektleiter könnten mit ihrem Team selbst darüber entscheiden, wie der beste Weg zum Projektergebnis aussehen solle.

In einem konkreten Fall habe sie aber dann genau das Gegenteil davon erlebt. Sie hatte eine Lösung vorgeschlagen, die von den herkömmlichen, normal üblichen Verfahrensweisen abwich. Da hatte die Unternehmensleitung dann doch kalte Füße bekommen und den Vorschlag einfach abgelehnt. Sie stellte sich jetzt natürlich die Frage, wie weit es mit dem Thema Vertrauen wohl her ist.

 

Ein positives Beispiel zum Thema Vertrauenskultur

Ich selbst habe in einem meiner Projekte mal eine andere Erfahrung gemacht. Ein gutes Beispiel für gelebte Vertrauenskultur. Es war im Kontext eines großen Veränderungsprojektes, das ich geleitet habe.

Es ging um die digitale Unterstützung eines Instandhaltungsprozesses und die Frage wieweit die Automatisierung des Prozesses gehen sollte. Mit der Automatisierung ging einher, dass die Daten zu dem Prozess dann auch gepflegt werden mussten, damit das System immer den aktuellen Stand des Auftrages anzeigen konnte. Der neue Prozess sollte in allen 3 Werken des Unternehmens umgesetzt werden.

Die einzelnen Werke bzw. Teams konnten selbst entscheiden welche der beiden Automatisierungsvarianten sie einführen wollten: Die vollautomatisierte Variante in der alle Daten zum Auftrag über den gesamten Prozess im System sichtbar sind. Oder eine abgespeckte Variante in der die wichtigsten Informationen zum Auftrag erfasst und verarbeitet wurden. Die Auswahl der entsprechenden Variante hatte natürlich erhebliche Auswirkung auf den neuen Arbeitsprozess und die Aufgaben der Teammitglieder.

In einem der Werke kam es dabei zu unterschiedlichen Positionen zwischen dem Werkleiter und dem Projektteam. Der Werkleiter fand die Automatisierung zu aufwändig in der täglichen Arbeit, das Team fand diese Lösung jedoch sehr gut.

Die anschließende Entscheidungsfindung ist ein gutes Beispiel für echtes, gelebtes Vertrauen: Der Werkleiter brachte seine Bedenken zum Ausdruck und stellte dem Team aber frei, die Entscheidung selbst zu treffen. Dazu gab er Ihnen zwei  Wochen Zeit, die Auswirkungen noch mal anzuschauen und zu diskutieren. Er sagte auch sehr deutlich, er wolle anschließend keine Klagen über die Auswirkungen der Automatisierung hören – sprich Sie sollten sich der Konsequenzen bewusst sein.

Ich hatte lediglich die Aufgabe, dem Team den Rücken freizuhalten und in der Lenkungsausschuss-Sitzung dafür zu sorgen, dass das Team die zwei Wochen Aufschub bekommt. Denn gerade der Bereichsleiter scharrte schon mit den Hufen, jetzt doch endlich weiter zu machen und nicht in Verzug zu kommen. Es sei doch eigentlich alles klar.

Das Team entschied sich für die Automatisierung und setzte alles anschließend perfekt um.  Es kam zu keiner Zeitverzögerung – trotz dem kleinen Umweg, den wir gegangen waren.

 

So gelingt wahres Vertrauen

Anhand meiner zwei Beispiele möchte ich 3 essentielle Zutaten mit Ihnen teilen, die es braucht um mit solchen Stolpersteinen umzugehen und  wahres Vertrauen zu entwickeln. Und es dann auch zu leben:

 

# 1 – Wahres Vertrauen bedeutet Gefühl und Verstand in Einklang zu bringen

Oft funktioniert es mit dem Vertrauen nicht, weil Gefühl und Verstand nicht im Einklang sind und unser Gesprächspartner das auch spürt. Wenn wir jemandem erklären, dass wir bedingungslos dahinter stehen, wenn er sein Projekt so durchzieht, wie er es für richtig hält, dann kann es sein, dass wir im tiefsten Inneren etwas anderes fühlen, uns dies aber gar nicht bewusst ist.

Wir sind im Business so darauf getrimmt nur auf unser Denken und unsere Ratio zu achten, dass wir unsere Gefühle oft verdrängen oder gar nicht mehr wahrnehmen. Mental ist alles klar aber emotional haben wir Angst, dass es schiefgehen könnte. Wir haben Angst vor den Konsequenzen oder Angst davor die Anerkennung/unsere Position in der Organisation zu verlieren.

Dabei muss es gar nicht erst soweit kommen, dass – wie in dem Beispiel  der Projektleiterin – die Entscheidung einfach abgelehnt wird. Andere Menschen können unsere Unsicherheit bzw. die Diskrepanz zwischen unserem Gefühl und unseren Aussagen sehr wohl wahrnehmen bzw. spüren. Sie reagieren dann darauf. Indem sie unser Angebot einfach nicht annehmen und so auf Nummer sicher gehen.

Wenn wir Bedenken haben, dann ist es wichtig, sich diese bewusst zu machen und sie auch auszusprechen. So wie das der Werkleiter in meinem Beispiel gemacht hat.

Achten Sie also in solchen Situationen darauf ob Ihr Gefühl und Ihr Verstand wirklich beide einverstanden sind und überlegen Sie sich, was Sie tun können, um diesen Einklang herzustellen.

 

# 2 – Vertrauen kann man nicht „machen“ sondern nur verschenken

In einem meiner Coachings fragte mich eine Kundin, wie sie sich in einer Teamsituation verhalten solle. Ob es angeraten sei Vertrauen sozusagen als „Vorschuss“ zu gewähren, oder ob es nicht besser sei erstmal abzuwarten, welches Ergebnis geliefert wird. Meine Entgegnung war: „Wenn wir das alle so machen, dann kommt Vertrauen nie zustande, weil wir alle immer auf die Bestätigung warten. Vertrauen ist ein Geschenk, das man freiwillig und absichtslos geben sollte.“

Absichtsloses Vertrauen heißt auch, dass wir damit einverstanden sind, dass der andere die Dinge so tut, wie er es für richtig hält und es für ihn passt. Das ist in unseren bestehenden wirtschaftlichen Systemen eine große Herausforderung. Denn was passiert, wenn unser Vertrauen missbraucht wird und wir dann mit den Konsequenzen leben müssen?

Es gehört also auch ein wenig Mut dazu, wie das Beispiel des Werkleiters zeigt. In diesem Fall  hat es gut funktioniert, weil das Team verantwortlich mit der Entscheidung umgegangen ist.  Da hilft nur eins: Ausprobieren und auf die Auswirkung achten. Und selbst wenn es mal schiefgeht: Wer sagt denn, dass die Führungskraft die bessere Entscheidung getroffen hätte?

Wenn wir in einem komplexen, dynamischen Umfeld zeitnah reagieren wollen, dann müssen wir uns wohl oder übel damit anfreunden, dass die Entscheidungen von den handelnden Personen getroffen werden – Ihnen also unser Vertrauen schenken.

Außerdem spart es uns eine Menge Zeit, die wir dann für andere Aufgaben zur Verfügung haben.

 

# 3 – Vertrauen wächst, wenn wir es kultivieren

Wie mein Bespiel zeigt, ist der beste Vertrauensaufbau mit gutem Beispiel voranzugehen. Vertrauen kann ich nicht einfordern oder machen. Vertrauen ist ein Gefühl bei dem mein mentaler und mein emotionaler Zustand im Einklang sind.

Vertrauen ist wie eine Pflanze, die wächst, wenn wir sie immer wieder gießen und für gute Wachstumsbedingungen sorgen. Wenn wir Vertrauen an Bedingungen knüpfen oder wie im Falle der Projektleiterin wieder zurückziehen, wenn es uns doch nicht passt, dann ist das so als würden wir die gerade ausgesäten Pflänzchen wieder herausreißen.

Vertrauen ist immer an Menschen geknüpft, die dieses bedingungslose Vertrauen verschenken. Ein einzelner Mensch kann eine ganze Vertrauenskultur mit einem Schlag kaputtmachen, wenn er als Führungskraft ständig kontrolliert und  Misstrauen sät oder als Mitarbeiter das in ihn gesetzte Vertrauen bewusst missbraucht.

Machen Sie sich klar, welchen Einfluss Sie haben. Sie haben immer eine Wahl: Sie entscheiden, welche Saat Sie ausbringen und ob Sie mithelfen, dass Vertrauen wachsen und  gedeihen kann. Oder eben nicht.

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Ein spannendes Thema über das ich jetzt noch mehr schreiben könnte. Vielleicht haben Sie ja Lust mitzudiskutieren und über Ihre eigenen Erfahrungen mit dem Thema Vertrauen zu sprechen. Dazu können Sie gerne die Kommentarfunktion am Ende des Artikels nutzen.

Eine weitere Möglichkeit in die Diskussion zu kommen bietet der Project Culture Day, den ich gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe am 20. September 2019 organisiere.  Veranstalter des Events ist die Deutsche Gesellschaft für Projekt Management (GPM). Zum Einstieg gibt es eine Podiumsdiskussion mit Nadine Nobile, Prof. Monika Burg, Franziska Weir, Conny Dethloff und Guido  Bosbach. Danach geht´s ab in ein Open Space und jede Menge spannende Diskussionen und Beiträge. Wenn Sie das interessiert, hier gibt´s weitere Info´s: https://www.gpm-ipma.de/events/regionale_veranstaltungen/detail/project_culture_day.html

Vielleicht treffen wir uns in Essen auf dem Project Culture Day.

HERZliche Grüße

Martina Baehr

martina_rund

 

 

 

 

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